Die Bürgersaalkirche München
Lage und Fassadengestaltung
Zwischen dem ehemaligen Jesuitenkolleg mit seiner Kirche St. Michael und dem Karlstor am Stachus liegt mitten in einer Häuserzeile der sogenannte „Bürgersaal" (Neuhauser Straße 14 -Fußgängerzone-). Er war der Versammlungsraum einer Vereinigung katholischer Männer, der am 06. Juni 1610 gegründeten „Marianischen Kongregation der Herren und Bürger zu Unserer Lieben Frauen Verkündigung".
1709/10 wurde dieses Gebäude nach Plänen des Oberhofbaumeisters Giovanni Antonio Viscardi errichtet. 1778 wurde der Bürgersaal durch den Freisinger Fürstbischof Ludwig Joseph Freiherr von Welden zur Kirche geweiht.
Die schlichte Barockfassade ist geschmückt mit einer Figur der thronenden Madonna mit ihrem Kind, der Patronin der Kongregation. Eine lateinische Inschrift in goldenen Lettern in den Friesen benennt die Bestimmung des Gebäudes:
DIVI MATRI VIRGINI DEVOTI FILII DD.CC. MONAC. ANNO MDCCX
Aus dem Lateinischen übersetzt lautet diese Inschrift:
Der jungfräulichen Gottesmutter (haben dieses Bauwerk) (ihre) ergebenen Söhne, die Herren Bürger von München im Jahre 1710 (errichtet).
Die Fassade der Bürgersaalkirche ist in zwei Geschosse gegliedert. Das entspricht der Aufteilung des Innenraumes in ein Untergeschoss (Unterkirche) und ein Obergeschoss (Oberkirche).
Ad Majorem Dei Gloriam
Bürgersaal München
Text von Dr. Lothar Altmann
Fassade
Die Schauseite des Bürgersaals scheint auf den ersten Blick eher der eines Rathauses als der einer Kirche zu ähneln, noch dazu heute das Glöckchen im kleinen Mittelgiebel über der Balustrade fehlt. Gegen diese Feststellung spricht auch nicht Franz Ableithners barocke Figur der thronenden Muttergottes in der schreinartigen Nische über dem Hauptportal, war doch das Anbringen von Hausmadonnen an der Fassade von Bürgerhäusern seit der Präsentation der Patrona Boiariae an der Schauseite der Münchner Residenz zu Beginn des 17. Jahrhunderts in ganz Bayern üblich. Doch was es mit dem stattlichen Gebäude wirklich auf sich hat, macht die Inschrift publik, die in goldenen Lettern in den beiden Friesen verläuft: DIVAE MATRI VIRGINI / DEVOTI FILII DD. CC. MONAC. ANNO MDCCX – Der jungfräulichen Gottesmutter [haben dieses Bauwerk] als [ihr] ergebene Söhne die Herren und Bürger von München im Jahre 1710 [errichtet]. Die klare Einteilung der Fassade in zwei Geschosse entspricht der Aufteilung in eine Unter- und eine Oberkirche im Innern.
Unterkirche
Die dreischiffige, kryptaartige Halle war ursprünglich für die Druckerei der Kongregation bestimmt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie zur Unterkirche umgestaltet. Durch die Überführung der sterblichen Überreste des ehemaligen Präses der Kongregation, des seligen P. Rupert Mayer SJ, 1948 ist sie zu einer Wallfahrtsstätte geworden, an der auch die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Trost und Stärkung erbeten haben.
Im Jahre 2003 gestalteten Hannah und Toni Stegmayer, Kiefersfelden, die liturgischen Orte um die schlichte Rotmarmorgrabplatte P. Mayers herum neu. Transparent-leicht und doch solide-feststehend sind Altar, Ambo und Tabernakel aus einem klaren Kubusgerüst aus poliertem Messing entwickelt, das die Platten des Bodenbelags zum Maßstab nimmt. Auf dem einstigen Hochaltar dahinter ist – wie schon an der Fassade – die Figur der thronenden Muttergottes zu sehen, ein Werk von Franz Drexler (um 1925): Maria ist durch Krone und Szepter als Himmelskönigin ausgezeichnet, ein Kranz von zwölf Sternen umstrahlt ihr Haupt. Auf ihrem linken Oberschenkel steht das Jesuskind als Salvator mundi, der die Welt von der Erbschuld des ersten Menschenpaares (vgl. das vergoldete Relief an der Vorderfront des Altarsteins darunter) erlöst. Zu Füßen des Throns halten zwei Engelskinder die Wappenschilde Münchens und Bayerns, die sich unter den Schutz Mariens gestellt haben.
An den Wänden der Unterkirche reihen sich vollplastische Gruppen aus Lindenholz. Sie bestehen jeweils aus vier Figuren, von denen jede ca. 1,20 m misst und die 1892–1898 von Hans Sprenger nach Modellen Josef Elsners geschaffen wurden. In dramatischer, dem Barock nachempfundener Weise führen sie die 14 Stationen des Leidenswegs unseres Erlösers Jesus Christus von seiner Verurteilung durch Pilatus über seinen Tod am Kreuz bis zu seiner Grablegung vor Augen und laden zum Nachvollzug in Gebet und Meditation ein. Die nach dem Zweiten Weltkrieg von Theodor Gämmerler gestaltete Krippe im rückwärtigen Teil der Unterkirche zeigt das ganze Jahr über verschiedene Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.
Oberkirche
Zwei geräumige, gegenläufige Treppen (mit je einer frühbarocken Schutzmantelmadonna an der Wand) führen hinauf zur Oberkirche, einem gleichmäßig erhellten, lichten Rechtecksaal von angenehmen Proportionen. Die Wände werden ringsum durch marmorierte Kompositpilastergruppen vornehm-festlich gegliedert. 1709/10 von Stadtmaurermeister Johann Georg Ettenhofer nach Plänen des aus Graubünden gebürtigen Oberhofbaumeisters Giovanni Antonio Viscardi errichtet, wurde der Versammlungsraum der Marianischen Männerkongregation erst 1778 durch den Freisinger Fürstbischof Ludwig Joseph Frhr. von Welden zur Kirche geweiht. Mehrmals umgestaltet und bei Fliegerangriffen 1944 zerstört, hat er seit 1959 im Prinzip wieder sein urprüngliches Aussehen.
Ziel und Blickfang des Raums ist der Hochaltar, der seit dem letzten Krieg seiner architektonischen Rahmung beraubt ist. Das silbern und gold schimmernde Relief der Verkündigung der Menschwerdung des Gottessohnes durch den Erzengel Gabriel an Maria verkörpert den Titel der Kongregation. Der Macht des göttlichen Ratschlusses, anschaulich ausgedrückt in der überwältigenden Gestalt des Himmelsboten, hat sich Maria demütig gebeugt; das Erlösungswerk Christi kann beginnen. Dieses überragende Werk des Tiroler Bildschnitzers Andreas Faistenberger von 1710 bereitete die Bühnenaltäre der Gebrüder Asam vor. Darunter sind vier hervorragende Rokokosilberbüsten aufgereiht, die um 1768 von dem Münchner Goldschmied Joseph Friedrich Canzler nach Modellen Ignaz Günthers geschaffen wurden. Sie stellen Männer aus dem Umfeld Mariens dar: den hl. Josef, den hl. Johannes den Täufer, den hl. Johannes Evangelist und den hl. Joachim. Ebenfalls einen Bezug zu Maria haben die 1947 von Roland Friederichsen gefertigten Statuen in den Ecknischen der Altarwand: Sie vergegenwärtigen ihre Mutter Anna und nochmals ihren Gemahl Josef. Alljährlich zur Weihnachtszeit ist im Altarraum ein wundertätiges, bis zu den Schultern eng umwickeltes (gefatschtes) Christkindl mit Wachskopf zur Verehrung ausgestellt. Es befand sich seit etwa 1600 im Besitz der Münchner Augustinerkirche und gelangte 1817 an die Marianische Männerkongregation.
Ebenfalls infolge der Säkularisation kamen zwei bedeutende Werke des Rokokoschnitzers Ignaz Günther in die Oberkirche: die nach 1770 für die Barmherzigen Brüder entstandene Kanzel, von der nur die Figuren des Schalldeckels (Verkündigungsengel sowie Putten mit Symbolen von Glaube, Hoffnung und Liebe) den Krieg überstanden haben, und die 1763 für die Schutzengelbruderschaft der Karmelitenkirche geschnitzte Schutzengelgruppe. Der gewaltige Engel hat einen kleinen Buben unter seine Fittiche genommen und führt ihn, auf den Himmel verweisend, unbeschadet über eine Schlange, das Sinnbild der Sünde, hinweg.
Die Schutzengelgruppe befindet sich mittlerweile im an die Unterkirche angrenzenden Museum der Marianischen Männerkongregation.
Unter den Seitenfenstern der Kirche präsentieren 14 Ölgemälde, alle bis auf eines aus der Hand des Landschafts- und Schlachtenmalers Franz Joachim Beich um 1725/30, beliebte Marienwallfahrtsorte in Altbaiern: einerseits von Taxa im Dachauer Land bis Altenburg östlich von München, andererseits von Altötting bis Ettal. In den sechs vermauerten Fensteröffnungen führen die überwiegend noch originalen Fresken Johann Anton Gumpps von 1710/12 Szenen aus dem Marienleben vor Augen. Die Medaillonbilder Franz Seraph Kirzingers von 1773/74 über den Fenstern verweisen auf die Tugenden der Gottesmutter. Die beiden Deckengemälde über Orgel und Altar fügte 1973 Hermann Kaspar ein; sie zeigen die Anbetung des Christkinds und die Aufnahme Mariens in den Himmel.
Die zu Ehren P. Rupert Mayers geweihte Orgel wurde 1994 von der Firma Vleugels, Hardheim-München, gebaut. Gemäß einem Stich von 1730 ist sie auf zwei große Gehäusekästen zwischen den Südfenstern verteilt, während das Brüstungspositiv zusätzlich hinzukam. Sie umfasst 50 Register mit 2905 Pfeifen.